Propädeutikum der Rechtswissenschaft

 

Recht zu sprechen oder sich auf Recht zu berufen ist an sich ein höchst vornehmer Akt. An sich meint: von der Idee her, dass es um eine im Sinne der Gerechtigkeit vertretbare Position geht. Einiges an Lebenserfahrung und ein wenig mehr an Geschichtskenntnis belegen, dass dieser Rechtsbegriff äußerst häufig durch Anmaßung missbraucht worden ist und wird.

Am Anfang des Studiums müsste den Studenten klargestellt werden, wie viel Wahrheit und Wissenschaftlichkeit sie vom Jurastudium erwarten können, und was die Kriterien dafür sind


- spätestens heute in der Bundesrepublik Deutschland sollten wir wissen, dass wir in bestimmten und gerade für das Recht relevanten Fragenkomplexen eben nicht wissen, sondern lediglich systemkonform vertretbare Postulate und Ableitungen zu präsentieren vermögen –

 

es würde das Studium erleichtern

 

- weil die juristischen Problemstellungen von Anfang an seitens der Studierenden eingeordnet werden könnten und damit handhabbar würden,

 

falschen Nimbus zerstören

 

- die Unübersichtlichkeit der unendlichen Lebenssituationen, die juristischer Entscheidung unterworfen sind, damit die Aura der Geheimwissenschaft wären gefallen,

 

die Position von Richtern, Professoren, Politikern auf das rechte Maß bringen, wo Überbewertungen Platz gegriffen haben sollten, und Gerichts- sowie Verwaltungsentscheidungen besser beurteilbar werden lassen

 

- einzig darauf kommt es an, ob der Sachverhalt ausgeschöpft erscheint und die ihn juristisch abbildende Argumentation umfassend, nachvollziehbar und vertretbar würdigt,

 

es würde aber auch die Möglichkeit bieten, die Würde-Dimension, in die der Rechtsbegriff gehört

 

- der Rechtsbegriff ist eine enorme zivilisatorische Größe, er schafft eine gewisse Ordnung und damit Stabilität in der Kontingenz, ihm kommt Befriedungsmacht in Konflikten zu, er ist Hoffnung auf Angemessenheit, ihm eignet ethikbildende, erzieherische Kraft,

 

zu erfassen

 

- man sollte sich als Studierende/ als Studierender früh bewusst werden, was man als Jurist für eine Profession gewählt hat; man sollte ein Gespür dafür entwickeln, was Ideal und Realität des Rechtsbegriffs sind, darüber nachdenken, was sie von einem abfordern können und werden, wo man stehen will, was man – im einen wie im anderen Fall – ‚bezahlen‘ wird.

 

Förderlich wäre es, deutlich werden zu lassen, dass Recht zunächst ein Interessenkonstrukt ist, das Interessenkonflikte bewältigt

 

- Konflikte können von diamantener Härte sein, frühzeitig sollte man gleichermaßen am Gespür dafür und an der Gelassenheit darüber arbeiten, dass alles, aber auch wirklich alles, möglich ist -,

 

deshalb seinen Achtungs-Wert und seinen Erfolgs-Wert aus der Art und dem Ergebnis der Konfliktbewältigung zieht und stetig dem ausgesetzt ist, aus konfligierenden Interessen heraus interpretiert und in Bewegung gehalten zu werden

 

- die menschliche Gier wird nur durch Übermacht, wozu auch der Einsatz sozialen Anpassungsdruckes gehört, oder Ablenkung in Schach gehalten oder aufgrund von Ethosbildung und entsprechender Selbstdisziplin bewältigt; letzteres ist der seltene Fall; das Zivilisationsniveau mit seinen markanten Eckwerten entwickelt sich nicht gradlinig zum Besseren, außerdem sind die handelnden Personen aufgrund ihrer Biographie unterschiedlich empfänglich für das soziale Klima und in ihren sozialen Rollen von Interessenfragen unterschiedlich betroffen, zudem wechselt das Publikum, so dass Interessengegensätze immer wieder zur Reibung gelangen.

 

Anders gewendet: in den Zeitläuften war und ist es selten, dass man den Rechtsbegriff in der Sache als an echtem Gerechtigkeitsstreben ausgerichtet verwendet, sehr oft tritt ein Partikularinteresse machtgestützt als Recht auf, sehr häufig auch führen große soziomanipulative Kompetenz bei gleichzeitiger juridischer Inkompetenz oder ethischer Indifferenz sowie falsches Wohlwollen oder niedere Parteilichkeit zu verfehlter Rechtsanwendung. Interessenvorteile wollen durch rechtliche Sanktionierung auch noch gekrönt werden, entsprechend effektiv und skrupellos geht man bisweilen zu Werke.