Wenn wir selbst betroffen sind …

 


(Psychopathien seien hier ausdrücklich nicht behandelt.)

Viele, sehr viele Menschen empfinden sich als irgendwie ‚gespalten‘: sie würden ja gerne, aber dann doch auch wieder nicht – sie wissen, dass sie sollten, eigentlich müssten, aber wollen nicht – sie wollen, aber die Willenskraft verlässt sie, etwas anderes habe die Oberhand gewonnen – da sei etwas in ihnen, dagegen kämen sie nicht an – etwas in ihrem Innern habe sie überwältigt. Sie entdecken an sich selbst mehrere Seiten [die mögliche, positive Dimension solcher Entdeckung sei an hiesiger Stelle nicht weiter verfolgt], sie haben damit ein Beruhigungsmittel an der Hand, im Bedarfsfalle eine Entschuldigung, Frivolität und Selbstmitleid bis zum Rausch. An sich grotesk, aber das ist der Befund.

Ein gesellschaftsweites Einvernehmen diesbezüglich, nicht offen ausgemittelt, nicht gebührend geprüft, vielmehr kumpaneiend, ein Paradigma in Proteusgestalt, wiewohl mit totem Blick, als Scheuklappen für die Bewegung durch die Zeit, beheimatet in pseudophilosophischer und pseudopsychologischer Fata Morgana, religiös gnädig als Balsam auf der Verworfenheit, juristisch als lax gehandhabtes Schuldprinzip, ökonomisch als Futter für das Konsumentenmelken, politisch die Manipulationsgarantie hinsichtlich der Massen. "Wir sind alle keine Engelein" – Blödheit, Klebrigkeit und Gier gehören zusammen.

Und Masken herunterreißen kommt nicht gut, gar nicht gut.

So geht es weiter, Tag für Tag, Jahr um Jahr, Säkulum für Säkulum. In ungeheurer Fertilität variiert man das Thema der Exkulpation, erfindet, setzt, steigert, erzwingt exogene und endogene Hinderungen für Individualfreiheit, richtet immer ausgeklügelter und aufwändiger Nebenkriegsschauplätze ein, lenkt in Labyrinthe, legt Fallstricke, schichtet Umformulierung auf Umformulierung … vermeidet den Punkt, auf den man nicht kommen will.

… bis man selbst negativ betroffen ist. Dann plötzlich kennt man die Kategorie der Verantwortung – beim Gegner.