„Souveränität!“


– Lebensmotto, Schlachtruf, Durchhalteparole, Sinnformel, Gegenwart der Eudaimonia.

 

 

Das große Wort von der ‚Souveränität‘ ist gewählt, weil der zu beschreibende Sachverhalt derartiges Format betrifft oder fordert. ‚Souveränität‘ ist der gebotene Begriff zur Kennzeichnung

- der individuell zu bewältigenden Aufgabe:
Es geht darum, eine sittliche Persönlichkeit zu werden. Das heißt, in ethisch relevanten Situationen bestehen zu können. Das setzt ein Selbstbehauptungsbewusstsein gegenüber den allfälligen Widrigkeiten bis zum Schwersten sowie auch den Verlockungen überzogener Annehmlichkeiten voraus. Das wiederum stellt sich nur aufgrund eines hochindividuell ausgearbeiteten ethischen Angemessenheits-Konzepts und dem durch bewährte Selbstdisziplin gewonnenen Vertrauen in die eigene Selbstbeherrschung ein.

- des Individuums in seiner Bedeutung:
Das Individuum wird in der hier vertretenen Perspektive verstanden als zur Freiheit befähigt und befugt. Freiheit ist insofern primär das Handeln nach guten Gründen, und sekundär der von guten Gründen getragene Anspruch auf einen adäquaten Entfaltungsrahmen. Dazu muss dem Individuum Wahrheits- und Liebesfähigkeit sowie Schönheitsempfinden eignen, sonst kann es nicht zu ‚guten‘ Gründen finden und nicht den ungeheuren Spannungsbogen der irdischen Gegensätze aushalten.
Warum eigentlich lässt man nicht den Gedanken Raum greifen, dass das Individuum ein Wunder ist? Weil sich viele Menschen tatsächlich nicht viel über den Status einer Biomaschine hinaus höher entwickelt haben? Was sind denn die Rahmenbedingungen, die wir setzen, auf dass sich das Individuum zu der ihm angestammten Souveränität zu entwickeln vermag? Fördern und fordern wir adäquat, weisen wir da in die Schranken, wo es nötig ist, antworten wir aufrichtig, lassen wir die nötigen Fragen überhaupt zu?

Anm.: Ethisch tragfähige Gründe sind an sich stets ‚gute Gründe‘, sonst sind Motive gemeint, lediglich der Klarstellung wegen ist das Beiwort ‚gut‘ eingesetzt worden.

- des Verhältnisses des Individuums zu Gott:
Die Erhabenheit Gottes degradiert das Individuum nicht. Ein von Gott zur Freiheit – wozu sonst? das Bild eines kleinmütigen Gottes ist schlicht lächerlich – berufenes Individuum ist aufgrund des Postulates der ‚Seele‘ souverän gegenüber Gott. Das bedeutet zunächst, dass Gott einen Freiheitsrahmen gewähren muss, dessen Kontur Gott jedoch aufgrund des Lebensgeschenks, auf das kein Individuum einen Anspruch hat, und aufgrund des mit Freiheit verbundenen Risikos vorgeben kann, und in der Folge bedeutet das, dass die individuelle Seele grundsätzlich ewig sein, aber kraft eigener Entscheidung erlöschen können muss.

- des Verhältnisses von Individuum und Staat:
Der missbräuchlichen Ausübung von Staatsgewalt gegenüber Individuen wehrte man am besten, indem man das Bewusstsein allgemein ausbilden würde, dass jedes Individuum aus eigenem Recht west und die Staatsmacht subsidiär und zweckgebunden allein dienende Daseins- und Eingriffsberechtigung hat. Die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland kann man über Art. 1 GG dahingehend auslegen. In anderen Staaten als der Bundesrepublik Deutschland ist man diesbezüglich noch weit zurück. Aber auch in der Bundesrepublik Deutschland ist da bei weitem nicht alles Gold, was glänzt. Der Beleg dafür ist, dass man im Kontakt mit dem Staatsgefüge nicht darauf vertrauen kann, dass das bessere Argument zählt, dass man nicht darauf vertrauen kann, dass man sich dorten an sauberen Begründungen ausrichtet und daran hält, und dass dieser Zustand seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zunehmend schlimmer geworden ist. Dabei ist die Königin der Auseinandersetzung das Argument. Dem zu genügen sollte das Umwillen des materialen Rechtsstaates sein. Man macht sich zunehmend weniger klar, dass die Verhältnisse weitgehend auf der Argumentationskultur beruhen, man macht sich nicht klar, dass die Verbesserung der Verhältnisse wesentlich von der Verbesserung der Argumentationskultur abhängt – ein hoher zivilisatorischer Verlust.

- gegenüber anderen philosophischen Theoremen:
Die „Philosophie der Souveränität“ führt direkt in ihrem Namen das ausschlaggebende Unterscheidungskriterium zu sämtlichen bisherigen Ethiken.


Bei allen Widrigkeiten das Schöne wahrzunehmen und den Blick dafür zu behalten und zu pflegen, Illusionen aufzulösen und Jammern und jede Gier klargeistig zu vermeiden, Furcht nicht und schon gar nicht Angst im eigenen Innern herrschen zu lassen, das Gute nicht zu verraten – wie wollen Sie das ohne Vernunft und ohne Selbstzucht hinbekommen? Weich zu sein, wo es angemessen ist, und hart zu sein, wo es angemessen ist, gegen sich und andere – wie wollen Sie das ohne Vernunft und Selbstzucht hinbekommen?

‚Unmenschlich‘ wäre es, wenn man von Ihnen ein Verhalten fordern würde, das Sie nicht leisten können. Redliches Bemühen ist gefordert, mehr nicht. Das verlangt Ausrichtung, die Sie selbst leisten müssen, dann Disziplin, Verstetigung und selbstkorrektive Höherentwicklung. Was wollen Sie sonst tun? In den Tag hinein leben? Bis zu einem gewissen Grad ist freilich doch auch das gestattet – aber eben nicht nur. Sie können der Frage nach der sinnvollen Ausrichtung Ihres Daseins nicht ausweichen. Von wem wollen Sie sich die Antwort abnehmen lassen – obwohl es Ihre ureigene Angelegenheit ist? Wollen Sie sich wahrlich vor der Antwort drücken? Wie bewerten Sie denn jemanden, der sich vor solch einer existentiellen Antwort drückt?

Es bleibt dabei, das Leben ist eine große Herausforderung und ein wunderreiches Abenteuer.