Gefühle



Der Schritt, der getan werden muss, der alles entscheidende Schritt, ist: die eigene Freiheit bewusst anzunehmen. Freiheit bedeutet Eigenverantwortung. Das ist vom Prinzip her schon alles. Ab da bedarf es nur der Umsetzung verantworteter Freiheit. Diese Umsetzung ist schwer, keine Frage, denn es geht um Selbstdisziplin, und dazu mögen sich die meisten Menschen nicht zusammenzureißen. Sie bleiben deshalb das, was sie sind. Aber an sich wäre es einfach, aus dem animalischen Loch herauszukommen. Ein Bewusstwerdungsschritt und dann Arbeit an sich selbst, mehr ist nicht erforderlich. Alles andere ist zurechtgelogen.

Es sind immer unsere Gefühle, die uns unser Dasein überhaupt und unser je aktuelles Sosein vermitteln. Es sind die Gefühle, die uns aufgrund eines gegebenen Widerstreits zwischen einem bestimmten gefühlsmäßig vermittelten Verlangen und unserer Vernunft Probleme verursachen (Entscheidungszwiespalt, Reue, Furcht, usw.). Es sind die Gefühle, die uns innere und Weltharmonie verschaffen. Es sind die Gefühle, die uns belegen, dass wir befriedigt sind, oder uns anzeigen, was fehlt, die uns rosa oder grau sehen lassen. Wir erfahren uns über unsere Gefühle.

Nun ist es so, dass wir unseren Gefühlen nicht ausgeliefert sind. Es gibt hinsichtlich unserer Gefühle Reflexions-, Beurteilungs- sowie Antriebs- und Verwerfungsinstanzen in uns. Auch diese ‚Instanzen‘ sind gefühlsbasiert, insofern sie spürbar unsere Verhaltenszukunft antizipieren, Verhaltensalternativen fühlbar werden lassen und uns überhaupt als kontrollierend uns uns selbst erfahrbar machen, aber sie hindern unsere Entscheidungs-, Beurteilungs-, Gestaltungsmacht nicht.

Wir sind nicht hinreichend bereit, unsere Gefühle zu kontrollieren, das jedoch wäre der Schlüssel zum Glück. Sicher kann man bei der Kontrolle der eigenen Gefühle vieles falsch machen, aber das muss man nicht. Es muss mitnichten zu Verkopfung, Verkrampftheit, Spontaneitätsverlust, Entscheidungsblockaden, Gefühlsdämpfung, Persönlichkeitsspaltung kommen. Schon gar nicht muss es zur Kapitulation gegenüber dem eigenen Gefühlsdruck kommen. Es ist eine groteske und für die Entwicklung des Menschen fatal falsche Behauptung, dass Selbstbeherrschung ein leerer Wahn sei. Einem bestimmten Gefühlsdruck kann man ausweichen, indem man sich in ein anderes Gefühlsszenario hineinsteigert, man kann ihn abgleiten lassen, indem man sich auf eine konkrete Aufgabenbewältigung konzentriert, und man kann ihn verpuffen lassen, indem man dem betreffendem Gefühlsdruck auf den Grund geht und ihm vernunftwirkend den Impuls nimmt, man kann ihn auch einfach nur registrieren und ihn dann schlicht nicht weiter beachten, er verflüchtigt sich. Die erste Maßnahme ist stets, einem nicht erwünschten Gefühlsdruck widerzuhalten, um die Trennung zwischen dem affektiven Ich und dem deliberativen Ich eintreten zu lassen, der Rest sind dann Entscheidung und Wille. (Pathologische Fälle sind hier ausdrücklich nicht abgehandelt.)

Selbstverständlich kann man die eigenen Gefühle bis zu einem gewissen Grade erziehen, d.h. sie auf das eigenen Richtigkeitskonzept hin eichen. Das bewirkt die Stärkung des deliberativen Ichs, welches – wie alles im Menschen – gefühlsgetragen ist.

Wenn man sorgsam mit den eigenen Gefühlen umgeht, sind sie einem Stärkung, Rat, Mahnung, Warnung, Erkenntnisquellen, Freudenspender. Wie man Sorgsamkeit den eigenen Gefühlen gegenüber walten lässt? Man achtet auf ein biologisches Optimum; müllt seinen Geist nicht mit Schwachsinn; pflegt ein eigenes Richtigkeitskonzept; ist offen für die Wunder des Seins; strebt soweit wie möglich nach Harmonie, im eigenen Innern wie bei jedem Außenkontakt, tut ansonsten, was getan werden muss.